Seit dem 10.12.2002
bilateral versorgt.

 
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Implantatlage nach der 2. OP


Mit etwa dreieinhalb Jahren begann Anna sich Gedanken über das zweite Ohr zu machen und fragte immer häufiger wenn wir uns unterhielten:"Papa, mit welchem Ohr hörst du?" Darauf habe ich ihr dann geantwortet, dass ich mit beiden Ohren höre, aber mit dem Rechten viel besser als mit dem Linken (dort habe ich einen Tinnitus). Wenn es dann wieder was zu Flüstern gab, bekam ich es immer ins rechte Ohr geflüstert. Zu dieser Zeit haben wir allerdings noch nicht intensiv über eine zweiseitige CI-Versorgung nachgedacht. Die beidseitige Versorgung war zu diesem Zeitpunkt kein Thema. Heute glauben wir, dass es für den damaligen Wissensstand die richtige Entscheidung war. Unter heutigen Gesichtspunkten war es allerdings falsch.
Da Anna nach einer Meningitis ertaubt war, musste damals schnell gehandelt werden, denn eine Verknöcherung der Schnecke war sehr wahrscheinlich. Diese Verknöcherung kann aber auch nach vier Jahren noch auf der nicht implantierten Seite eintreten und somit eine Implantation wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen.
Annas Meningitis lag zwar 4 Jahre zurück, aber die Gefahr der Verknöcherung bestand ja immer noch und so wurde im September 2002 eine Kernspintomographie durchgeführt, die den Grad der Verknöcherung klären sollte. Glücklicherweise zeigten die Bilder auf der rechten Seite eine noch offene Schnecke. Die Zustimmung und der Termin für die zweite OP erfolgte nach den erforderlichen Voruntersuchungen dann relativ kurzfristig.
Anna bekam ihr zweites CI am 10.12.2002 in der MHH in Hannover. Die Operation dauerte etwa 3 Stunden und verlief völlig problemlos. Die einzige Schwierigkeit, die sich während der OP ergab, war, dass der Schneckeneingang doch schon leicht verknöchert war und aufgebohrt werden musste. Das heißt, dass man eine Operation zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise nicht mehr erfolgreich hätte durchführen können. Der Schnitt war mit dem auf der anderen Seite von 1998 nicht vergleichbar. Er verlief nur hinter dem Ohr und die Wunde wurde geklebt anstatt genäht. Die Haare wurden auch nur ganz knapp neben dem Schnitt rasiert. Nur kurz nach dem Aufwachen, war sie für etwa eine viertel Stunde ungenießbar und brauchte so viele Schimpfwörter wie sonst in zwei Wochen nicht. Auf dem Stationszimmer hat sie dann noch etwa eine Stunde geschlafen und verlangte anschließend äußerst energisch nach was Essbarem und was zu Trinken. Normalerweise sehen es die betreuenden Schwestern nicht gerne, wenn so kurz nach einer OP gegessen oder getrunken wird, aber wir haben ihr zwei Scheiben Toastbrot und etwas Wasser gegeben, was sie dann auch mit einem Riesenappetit verspeist hat. 
Etwa nach 5 Stunden nach der OP hat sie dann mit den anderen Kindern der Station zwischen den Betten verstecken gespielt und ist rumgelaufen als wäre fast nichts geschehen. Besonders die Schwestern und Pfleger waren hell auf begeistert und hatten mit der Bande alle Hände voll zu tun.


Die Zeit im Krankenhaus war auch erträglich und nicht zu lange. Montag war Anreise, Dienstag OP und Sonntag ging es schon wieder nach Hause.

Auch zu Hause verlief alles problemlos und Anna konnte es nicht erwarten, das neue CI angeschlossen zu bekommen. Weil sie so neugierig ist, hat sie natürlich mit ihrem alten CI an der rechten Seite rumgefummelt und hat sich furchtbar erschrocken, als in ihrem Kopf etwas passierte. Es muss wohl auch etwas weh getan haben. Das hat sie aber zum Glück nur einmal probiert und es ist nichts schlimmes passiert.
Der Tag der Wahrheit kam nun am 13.01.03, denn da wurde die rechte Seite erstmals angeschlossen und angepasst.

Es ist wohl mittlerweile bekannt, wie energisch ich mich für das CI einsetzen kann und wie euphorisch ich darüber berichten kann. Nur was bei der Anpassung geschah, habe ich nicht für möglich gehalten. Bei den ersten zwei Versuchen geschah gar nichts. Anna saß ziemlich teilnahmslos da. Als der Techniker aber beim dritten Versuch die Hörschwellen etwas anhob und wieder die Elektroden in Annas Schnecke ansteuerte, ging ein Strahlen über Annas Gesicht, wie ich es Weihnachten zuletzt bei ihr gesehen hatte. Sie hatte etwas gehört und fand es gut.

Es tat ihr nicht weh und sie wusste genau, dass sie jetzt auch auf der rechten Seite hören konnte. Allerdings nur "komische Geräusche" wie sie meinte. Natürlich konnte Anna auf der neuen Seite noch nichts verstehen und es kamen wahrscheinlich wirklich nur komische Geräusche und Empfindungen an. Sie konnte aber laut und leise unterscheiden und machte bei der Anpassung gut mit. Am Nachmittag trug Anna, anfangs unter Gemecker, nur ihr neues CI. Sie brabbelte den ganzen Nachmittag und es war ähnlich wie vor vier Jahren als sie ihr erstes CI bekam. Nur diesmal dauerte es ja nicht einige Monate, sondern es lief alles wie im Zeitraffer innerhalb von wenigen Stunden ab. Sie begann wirklich wieder mit einfachem Lautieren. Mit langezogenen AAAAAAs oder kurzen A-A-As oder mit BA-BA-BA. Sie versuchte ihre Stimme über das neue CI selbst zu kontrollieren. 

Montag und Dienstag hatten wir je eine Stunde bei Herrn Kogge im CIC. In der ersten Stunde, also schon unmittelbar nach der Erstanpassung konnte Anna einige Silben verstehen. Einfacher war es allerdings, wenn sie dabei das Mundbild des Sprechers sehen konnte. Bereits am Dienstag konnte Anna ohne Mundbild die Geräusche von Auto (brrrr brrr), Eisenbahn (tsch-tsch-tsch), Feuerwehr (tatüü-tatüü-tatüü) und Flugzeug (aaaaaaaa) unterscheiden. Ebenso konnte sie ohne Mundbild die Worte rot, blau, grün und gelb unterscheiden. Dass das so schnell geht, hatten wir nicht geglaubt.
Dienstagnachmittag ging es dann wieder nach Hause und Anna quasselte auf der ganzen Fahrt (330Km), nur mit dem neuen CI auf der rechten Seite, ununterbrochen. Eine ziemlich nervenaufreibende Sache, obwohl wir ihre Redelust ja zu genüge kennen. Am Abend war sie aber dann doch ziemlich geschafft und wollte früh ins Bett.

Mittwoch und Donnerstag ging Anna genau wie an anderen Tagen wieder in den Kindergarten. Nur diesmal mit zwei CIs, und das Neue wurde natürlich von Allen bestaunt.

Unterschiede zu ihrem früheren Verhalten wurden von den Betreuerinnen nicht festgestellt. Nachmittags musste sie dann ihr altes CI ablegen und nur mit dem Neuen hören. Das geschah dann allerdings dann auch wieder unter heftigem Gemecker das aber auch nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurde. In dieser Zeit beschäftigte sich die gesamte anwesende Familie mit Anna. Es wurden Spiele gemacht bei denen viel gesprochen werden musste. Jeder musste Wörter nachsprechen, die der Andere vorsagte. Teils mit abgedecktem Mund und teils mit sichtbarem Mund. Vor längerer Zeit habe ich mir mit Anna selbst ein Spiel ausgedacht, bei dem völlig sinnlose, erfundene Wörter nachgesprochen werden müssen. Solche Wörter waren zum Beispiel: Kalumpakee oder Sumpanote oder Ratalubika u.s.w. Das hat Anna viel Spass gemacht und wenn die Wörter einigermaßen deutlich gesprochen waren, hat sie jedes Wort richtig nachgesprochen. Auch wenn es noch sehr früh nach dem ersten Einschalten ihres neuen CI war, wollte ich Donnerstag doch dieses Spiel mit ihr probieren. Ich konnte es anfangs nicht glauben, aber wenn ich laut deutlich gesprochen habe und Anna konnte nur halbwegs mein Mundbild sehen kamen fast alle ausgedachten Worte von ihr richtig zurück. Dabei muss man bedenken, dass sie trotz Ablesen ja keines dieser Worte kannte. Ohne Mundbild kamen aber immer noch sehr ähnliche Worte von Anna zurück. Für uns war es ein sehr einfaches, aber nützliches Spiel mit Worten das allerdings keinen belegbaren pädagogischen Wert hat und sicher einige Gehörlosenpädagogen zum Schmunzeln bringt.

Wir haben wieder einen großen Schritt in Annas Leben getan und ich denke, dass ich auch weiter über Annas Fortschritte berichten werde.


Stand: Februar 2003

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