Anna´s Geschichte

 
Hier finden Sie eine MP3-Datei (3Mb) zum Download, die Anna´s Aussprache im August 2002 verdeutlicht. 

Hier gehts mit dem 2. Teil weiter. Anna wurde im Dezember 2002 auch auf der rechten Seite implantiert und ist nun bilateral versorgt.

Anna im September 2001


Anna im September 2001

Anna kam am 17.2.1998 im Krankenhaus in Düren als gesundes Mädchen bei einer ambulanten Geburt zur Welt. Noch am gleichen Abend haben wir sie mit nach Hause genommen und sie ihren beiden Geschwistern Carsten und Nadine, damals 13 und 14 Jahre, vorgestellt. Die ersten Wochen verliefen völlig normal.

Mit 4 Wochen bekam Anna hohes Fieber. Von unserem Hausarzt wurde mehrmals normales „Dreitagefieber“ diagnostiziert. Am dritten Tag ging es Anna so schlecht, dass wir umgehend mit ihr ins Krankenhaus in Düren fuhren. Dort diagnostizierte man am Nachmittag eine Nierenbeckenentzündung. Erst am nächsten Abend, nach weiteren Untersuchungen, stellte man eine Hirnhautentzündung fest. Nun ging es um Leben und Tod und das Krankenhaus Düren war für einen solchen Fall nicht ausgerüstet. Noch in der Nacht wurde Anna in die Kinderklinik Köln verlegt. Die Ärzte stellten einen besonders schweren Fall von Pneumokokken-Meningitis fest.

Anna mit Meningitis in der Kinderklinik Köln

Erst am dritten Tag auf der Intensivstation war Anna außer Lebensgefahr. Sie war halbseitig gelähmt und wir hatten den Eindruck, dass sie auf Ansprechen nicht mehr reagierte. Eine Kernspinuntersuchung ergab starke Vergrößerungen der Ventrikel. Für die Lähmung bekam sie schon auf der Intensivstation Krankengymnastik nach Vojta, die sehr gut geholfen hat. Nach drei Wochen kam sie auf eine normale Kleinkinderstation. Es dauerte sechs Wochen, bis Anna entlassen werden konnte. Von den Ärzten wurden wir darüber aufgeklärt, dass Anna möglicherweise schwerste Behinderungen behalten könne. Eine mögliche Ertaubung aufgrund der Meningitis wurde leider nur am Rand erwähnt.

Von da an lebten wir mit der ständigen Angst, wie Anna sich nun entwickeln würde, waren aber immer und zu jeder Zeit überzeugt, dass Anna es schaffen würde, sich normal zu entwickeln.

Anna kurz nach der Entlassung

Anna entwickelte sich nach der Entlassung aus dem Kinderkrankenhaus auch den Umständen entsprechend gut. Dabei muss man aber bedenken, dass Anna´s  Gewicht bei der Entlassung unter ihrem Geburtsgewicht lag. Die Nahrungsaufnahme war sehr schwierig, weil sie ihren Saugreflex verloren hatte und die Mundmuskulatur nicht mehr richtig funktionierte. Aber auch das bekam Anna mit der entsprechenden Unterstützung in den Griff und legte Gewicht zu.
Wir merkten aber immer mehr, dass Anna auf Geräusche nicht reagierte. Es war nicht möglich, Anna nur mit Geräuschen aufzuwecken. Egal wie laut sie auch waren.

Anna schläft, Lara brüllt.


Im Juni 1998 hatten wir dann endlich einen Termin zur BERA an der Uniklinik in Köln.
Es wurde eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit festgestellt. Für uns war es ein erneuter Schock und es folgte eine Zeit der Verzweifelung.
Anna wurde, wie vorgeschrieben, mit Hörgeräten versorgt. Der Erfolg und Anna´s  Reaktionen auf Geräusche waren allerdings gleich null.

Von einem Cochlear-Implantat hatten wir bis dahin noch nichts gehört oder gesehen. Wir wussten nicht, dass es so etwas gibt. In der Uniklinik wurden wir nach der Diagnose leider auch nicht umfassend über ein CI unterrichtet.
Wir erfuhren später von einer Informationsveranstaltung für CI an der Uniklinik in Köln, die im Oktober stattfinden sollte und haben uns dort angemeldet. Dort konnten wir sehr viel von den einzelnen Herstellern, von Ärzten und Hör- und Sprachtherapeuten und auch von betroffenen Eltern erfahren. Dort haben wir auch das Gefühl bekommen, dass wir nicht allein sind und dass uns geholfen wird. Wir wussten nun, dass die Cochlea nach einer Meningitis relativ schnell verknöchert und dass höchste Eile geboten ist, wenn ein CI implantiert werden soll.
Durch intensive Recherchen im Internet sind wir auf weitere Familien mit hörbehinderten Kindern in unserer Nähe gestoßen und haben uns kurzfristig bei zwei Familien angemeldet. Wir wurden sehr freundlich aufgenommen und konnten auch hier weitere Informationen und Erfahrungen sammeln. Von da an stand für uns fest: es gibt für Anna keine Alternative zum CI und wir werden alles daran setzen, dass sie ein CI und damit die Chance zum Hören erhält.
Da das Klinikum Aachen unserem Wohnort am nächsten gelegen war, haben wir versucht mit den entsprechenden Fachkräften Kontakt aufzunehmen. Das ist allerdings an den versprochenen, aber nicht erfolgten Rückrufen des Klinikums gescheitert. Daraufhin haben wir uns an die MHH in Hannover gewandt und wurden auch sofort zur Voruntersuchung eingeladen. Bei dieser Voruntersuchung wurde bereits eine angehende Verknöcherung der Cochlea festgestellt. Ein Termin wurde umgehend festgelegt. Wir wurden sehr ausführlich über die Risiken bei der Operation und Vor- und Nachteile einer CI-Versorgung von den Ärzten der MHH in Hannover informiert.

Anna wurde dann auch kurz vor Weihnachten 1998 in der MHH operiert. Sie war gerade 9 Monate. In einer etwa 3-stündigen Operation erhielt sie ein Nucleus 24 Implantat. Die OP verlief ohne jede Komplikation und alle 24 Elektroden konnten in die Schnecke eingeführt werden. Das waren natürlich die besten Voraussetzungen, die man sich für die Zukunft wünschen konnte. Der Krankenhausaufenthalt dauerte knapp eine Woche und wir konnten Weihnachten zu Hause feiern. Damals betrachteten wir die erfolgreiche OP als das schönste Weihnachtsgeschenk, das man uns machen konnte, obwohl Anna ja da noch nichts hörte.

Anna und Birgit 3 Stunden nach der OP in der MHH

Die heissersehnte Erstanpassung erfolgte dann am 1.Februar 1999, zwei Wochen vor Anna´s  erstem Geburtstag. Sie verlief, wie wir uns es vorgestellt und auch gewünscht hatten. Beim zweiten oder dritten Versuch reagierte Anna deutlich. Von diesem Moment haben wir Videoaufnahmen, die eindeutig belegen, dass Anna nicht erschrocken war, sondern eher etwas erstaunt. Von da an ging es in so großen Schritten voran, dass wir fast selbst nicht mehr mitkamen. Sie hat das CI zu keinem Moment abgelehnt und wenn ihr mal die Spule vom Kopf gerutscht war, hat Anna uns deutlich gemacht, dass sie da wieder hin soll. Anna wollte hören und wir haben ihr alles angeboten was nur möglich war. In einer fünfköpfigen Familie gibt es sowieso kaum ruhige Momente.
Folgend möchten wir einen kurzen Überblick darüber geben, was Anna an Fördermaßnahmen seit der Zeit nach der Meningitis angeboten wurde:
Frühförderung in der Frühförderstelle der Lebenshilfe in Düren. 1 x wöchentlich 02.1999 - 07.2001
Krankengymnastik in der Praxis Kitka in Düren. 2 x wöchentlich 03.1998 - 10.1999
Hör- und Sprachtherapie bei Frau Hoffmann-Vahlhaus. 1 x wöchentlich 03.1998 - 07.1999
Hör- und Sprachtherapie bei Frau Streicher in Köln. 1 x wöchentlich 08.1999 - 11.2002
Behindertenspielgruppe in Euskirchen. 1 x monatlich 01.1999 - 09.2001
Orofaziale Regulationstherapie zur Beseitigung der Zungenlähmung in der Praxis Wucherer in Jülich. 1 x wöchentlich 12.2000 - 02.2002
Ergotherapie in verschiedenen Praxen 1 x wöchentlich 07.2002 - heute
Logopädie in verschiedenen Praxen 1 x wöchentlich 03.2002 - 05.2004
Die nach der CI-OP notwendigen Reha-Maßnahmen im CIC Wilhelm Hirte in Hannover.  12 x je eine Woche 02.1999 - 01.2002

Diese Aufstellung macht vielleicht den Eindruck, dass es eine riesige Belastung für Anna gewesen sein muss, diese ganzen Förderungen, Rehas und Therapien über sich ergehen zu lassen. Dem war aber nicht so. Anna hat sich auf (fast) jeden Besuch einer Fördermaßnahme gefreut und mit großem Interesse mitgemacht.
An dieser Stelle gebührt ein großer Dank an Alle, die Anna in dieser Zeit zu einem weitgehend normalen Leben verholfen haben.

Weitere Bilder und Bilder der Reha

Anna hat heute einen Wortschatz (MP3-Datei), der mit gleichaltrigen Kindern durchaus vergleichbar ist. Sie ist in der Lage (mit Mama´s Hilfe) zu telefonieren. Aus meinem Büro telefoniere ich fast täglich mit ihr, aber ihre Lieblingstelefonpartner sind die Omas und Opas. Wir können mit ihr reden, singen und sogar flüstern. Sie hört nicht nur unsere Katze schnurren, sie kann sie auch nachmachen. Ihre deutliche Aussprache wird einzig durch eine meningitisbedingte Funktionsstörung der Zunge ein wenig beeinträchtigt. Selbst Fremde verstehen Anna meist ohne Probleme. Heute besucht Anna den Regelkindergarten. Sie hat dort viele Freunde gefunden, mit denen sie sich ohne ihr CI nicht unterhalten könnte. Wir bringen Anna morgens in den Kindergarten an unserem Wohnort und wie es heute aussieht, wird sie später mit ihren Freunden und Freundinnen aus dem Kindergarten in unsere Grundschule gehen können.

Anna lernt Fahrradfahren.

Die manchmal beschriebenen Nebenwirkungen eines CI wie z.B. psychische Störungen, Traumata, Schwindelgefühle, Kopfschmerzen usw. haben wir bei Anna zu keinem Zeitpunkt festgestellt. Sie kann gut balancieren, schaukelt gerne, dreht sich mehrfach auf der Schaukel auf und lässt sich wieder zurückdrehen und geht mit nur leichtem Schwanken weg. Anna´s  Lieblingsbeschäftigung ist Fahrradfahren, was sie problemlos ohne Stützräder kann seit sie 3 1/4 Jahre alt ist.

Wir wissen, dass nicht jedem gehörlosen Kind dieser Weg offen steht und dass auch leider nicht bei jedem Kind solche  Erfolge erzielt werden. Aber wir haben bei Anna, trotz der niederschmetternden Voraussagen der Ärzte nach der Meningitis diesen Weg gewählt und würden ihn jederzeit und immer wieder wählen.

Der Versuch war’s wert!

 

Eltern, die uns kennen lernen möchten und sich selbst ein Bild von Anna machen möchten, laden wir dazu herzlich ein. Für uns bedeutet das nicht die Vorführung eines behinderten Kindes, sondern ein Hilfeangebot für Eltern, die sich bislang noch nicht oder sogar gegen ein CI bei ihrem hörbehinderten Kind entschieden haben. 
Wenn wir so einem gehörlosen Kind den Weg aus der Stille bereiten können, dann können auch wir einen Sinn in Anna´s  Taubheit erkennen. Anna zeigt uns jeden Tag, welche Freude Hören macht.

 

Anna´s Kindergarten Gruppe im Regelkindergarten
Die Kindergartengruppe
(Anna sitzt vorne rechts)

 

Sicher werden noch einige Ergänzungen hinzugefügt werden, die in der Kürze der Zeit einfach vergessen wurden oder für uns einfach selbstverständlich, aber trotzdem erwähnenswert sind. (z.B. unsere Kommunikation wenn Anna ihr CI nicht trägt.)
Erstellt im Oktober 2001 - MP3-Datei von August 2002 - Ergänzung der Therapien im Juli 2003
Hier geht es nun mit dem 2. Teil weiter. 
Anna wurde im Dezember 2002 auch auf der rechten Seite implantiert und ist nun beidseitig mit Nucleus CIs versorgt.